Nach der Fisker Group Inc hat nun auch die Fisker Inc. am 19.06.2024 einen Insolvenzantrag gestellt. Dazu gibt es noch 2 Rückruf-Aktionen und Henrik Fisker hält Vorträge in Indien. Für uns Fisker Besitzer sind das viele News auf einmal, die uns nicht wirklich weiter bringen. Hier ein erster Überblick.
Fisker Inc. und Fisker Group Inc. beantragen Insolvenz nach Chapter 11
In den letzten 8k Meldungen vom 7.Mai , 10. Mai und 29.Mai 24 wurde klar, dass Fisker die fälligen Verbindlichkeiten nicht wird bedienen können und Insolvenz anmelden wird. Die Erklärung der Insolvenz nach Chapter 11 erfolgte sowohl für die börsennotierte Fisker Inc. als Markeninhaberin (19.6.24) als auch für die Fisker Group Inc. als operative Einheit (17.06.24). Die Insolvenzen der EU Tochtergesellschaften – in Deutschland die Fisker GmbH in München – dürften damit auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Ein Hoffnungsschimmer ist immerhin Chapter 11, was einer Insolvenz in Eigenverwaltung entspricht. Ziel wird sein, einen Weg zu finden, die Firma oder Teile davon weiter zu führen. Sollte das nicht gelingen, würde das auf eine Abwicklung nach Chapter 7 hinauslaufen – dem finalen Ende der Fisker Inc. Und danach sieht es aktuell auch aus.
Interessant ist auch die Frage nach dem Sitz der Fisker Inc. Bislang war das 1888 Rosecrans Ave in Manhatten Beach. Anscheinend ist die Firma umgezogen in ein unscheinbares Bürogebäude in die 14 Centerpointe Drive in La Palma. Warum die Insolvenzanmeldung trotzdem über 2.000 Meilen davon entfernt an der Ostküste in Delaware erfolgt, erschließt sich mir nicht.
Der Fisker Ocean
Fisker hat ca. 11.200 Ocean produziert. Davon sind 6.864 Autos in den USA (laut Rückruf siehe unten). In Deutschland dürften es nach aktueller Schätzung einige Hundert Exemplare sein. Die KBA Zahlen sind da ungenau, da alle ONE Versionen über eine Kleinserien-Zulassung in den Verkehr gekommen sind und so in den Statistiken nicht mitzählen. Damit ist ein Ocean so selten wie ein Rolls Royce und wird im Strassenverkehr und an der Ladesäule immer ein Hingucker bleiben. Ob der Vergleich mit einem Rolls Royce auch für die Wertentwicklung gilt?
Die Wertentwicklung
Wohl eher nicht. Mein Ocean ONE hatte einen Neupreis von 69.990 Euro inklusive MwSt. Aktuell werden Neufahrzeuge im EXTREME Trim von Fisker für rund 44.000 Euro angeboten. Gebrauchte gibt es ab 34.000 Euro im Netz. Für jedes Produkt gibt es einen Preis, bei dem es sich verkaufen lässt. Die Frage ist, wo der Preispunkt für einen gebrauchten Fisker Ocean ist. In der aktuellen Situation würde ich den bei maximal 30.000 Euro erwarten – eher darunter.
Sofern sich die Aufregung um Fisker gelegt hat und die Themen Software und Service geklärt sind, könnten die Preise für einen Ocean später durchaus wieder steigen.
Service
Seit langem ist Service das grosse Thema unter Fisker Fahrern. Bei Markteinführung wurde ein exzellenter Service vor Ort versprochen, von dem aktuell nichts mehr übrig ist. Die entsprechenden Mitarbeiter sind entlassen worden und die Standorte geschlossen. Dazu ist niemand mehr wirklich erreichbar.
Im Gegenzug hat Fisker Vertragswerkstätten autorisiert, die den Service abwickeln sollen. Aktuell sind es 2 in Deutschland: die EK Fahrzeugtechnik in Hattingen und Draebert GBR in Mittenwalde. Dazu kommen 4 Werkstätten für Karosseriearbeiten und Lackierungen. Alle Werkstätten sind mit Sicherheit gut ausgebildet und arbeiten ja auch für andere Marken z.B. als BodyShop für Tesla.
Doch was nützt es, wenn es keinen funktionierenden Ablauf für Ersatzteilbestellungen gibt und die Werkstätten (noch) keinen Zugang zum FAST System haben, der Software, die für den Service am Ocean unerlässlich ist. An dieser Situation hat sich bislang nichts geändert unerheblich von der Insolvenz.
Hier wird sich irgendwann jemand finden müssen, der diesen Service Bedarf als Geschäft für sich entdeckt. Ersatzteile gibt es und auch die Zulieferer sind ja alle noch da. Dazu müssen Hersteller wie Fisker angeblich Versicherungen abschließen, die die Ersatzteilversorgung in diesem Falle absichern.
Bei anderen Marken war das ähnlich. Es gibt Spezialisten für den Fisker Karma, Citroën SM, DeLorean DMC 12, NSU Ro80 und alle anderen Automodelle, bei denen die Werkstätten früher die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Allerdings hat es immer etwas gedauert, bis sich diese Service-Szene etabliert hat. Da wird die Fisker Ocean Community also noch etwas durchhalten müssen.
Software
Fisker hat in den letzten Wochen und Monaten hunderte von Mitarbeitern entlassen – wohl alle, die etwas mit dem eigenen Verkauf und Service zu tun haben. Die Software wird – wie man hört – in Indien programmiert. Diese Mitarbeiter sollen noch an Board sein, was Hoffnung auf eine Weiterentwicklung der Software macht.
Up to Date war bisher die Version 2.0, die noch nicht alle Fisker Ocean aufgespielt haben. Diese Verison kam in 3 Teilen meistens schon OTA. Wenn alle 3 Teile aufgespielt sind, dann funktioniert auch der Schlüssel deutlich besser und der Ocean kann aus einigen Metern Entfernung mit nur einem Druck auf den KeyFob geöffnet oder geschlossen werden.
Dazu gibt es einen Patch, mit dem die Töne des Ocean verändert wurden. Vor allem der Ton beim Öffnen/Schließen ist dann deutlich dezenter. Dafür sind leider die meisten Warntöne im Auto deutlich lauter.
Durch die Rückruf-Aktion (siehe unten) wird jetzt Software 2.1 ausgerollt. Angeblich sollen das alle Ocean bis zum Ende Juni bekommen. Die Installation läuft anscheinend in 2 Schritten over the air (OTA) ab und es gibt auch hier wieder Berichte, dass es nach der Installation vereinzelt zu entladenen 12V Batterien kommt.
Die Software 3.0, die das ADAS System besser anspricht, ist wie man hört schon fertig programmiert, freigegeben und auch bezahlt. Ob wir die 3.0 auf den Ocean noch aufgespielt bekommen, ist fraglich.
Version 4.0 war für den Herbst geplant. Ich hatte schon das Vergnügen, einen Entwicklungsstand von der 4.0 in einem Ocean zu sehen. Damit wäre dann der volle Funktionsumfang des Ocean aktiviert, mit Abstandsradar, Einparkassissten und vielem mehr. Ob diese Version weiter vorangetrieben wird und irgendwann in die Autos kommt, ist völlig unklar.
Worst Case wäre ein Verbleib auf der SW 2.1, mit der man dann durchaus leben kann.
Rückruf-Aktion
Dass bei der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) Beschwerden zum Ocean eingegangen sind, ist nichts ungewöhnliches. Wer sich auf der Website der NHTSA umschaut, wird Rückrufe und Beschwerden für Modelle aller Marken entdecken. Aktuell gibt es aber 2 Rückrufe, die Fisker erfüllen muss:
Fall 24V-404
Hier wird in bestimmten Fahrsituationen ein Sicherheitsmodus ausgelöst, bei dem das Auto abschaltet und dann ausrollt.
Fall 24V-405
Die Warnlampen für das Bremssystem müssen in den USA rot sein, sind beim Ocean aber gelb. Dazu ist die Schriftgrösse für die Warnlampen “BRAKE”, “PARK” und “ABS” mit 1,7 mm zu klein. Vorschrift sind 3,5 mm
Beide Rückrufe werden mit der SW 2.1 adressiert und sollen damit erledigt sein.
Henrik Fisker in Indien
Grosse Aufregung gab es um die Ankündigung, dass Henrik Fisker auf dem ET Auto Tech Summit 2024 in Bangalore / Indien sprechen wird. Viele hatten daraus auf eine Übernahme von Fisker durch Tata Motors geschlossen. Und tatsächlich hatte Tata Motors in der Investoren-Präsentation vom 11.6.2024 auch ein Auto unter dem roten Tuch gezeigt mit dem Hinweis, man wolle neue Marken mit neuen Antrieben vorstellen. Die Silhouette des Modells unter dem roten Tuch sah verdächtig nach dem Ocean aus.
Dazu produziert Tata nicht nur Busse und Nutzfahrzeuge für Indien sondern auch die Marken Jaguar, LandRover und RangeRover gehören zu Tata. Jaguar lässt zum Teil bei Magna produzieren, womit sich der Kreis dann wieder schließen würde.
Nun sind die ersten Vorträge in Indien gelaufen. Henrik Fisker wurde per Video dazu geschaltet. Aus einer internen Quelle hatte ich mal das unbestätigte Gerücht gehört, dass er nach einer Auflage der Börsenaufsicht die USA nicht mehr verlassen dürfte. Zumindest hat ihn seit dem Verfall der Aktie niemand mehr im Ausland gesehen.
News aus Indien gibt es bis heute nicht. Was auch immer da unter dem roten Tuch steckt, hat wohl nichts mit Fisker zu tun.
Wie geht es weiter?
Fisker hat mit dem Ocean ein absolut einzigartiges Elektro-SUV auf den Markt gebracht, das eine treue Fan-Gemeinde hat. Das Platzangebot auf 4,7m Fahrzeuglänge ist grandios, die Strassenlage sehr gut und das Fahrwerk ist angenehm komfortabel gerade für längere Strecken. Und das Design ist ein echter LichtBlick zwischen all den weissen Model Y am Supercharger.
Im Mai waren mit wir mit unserem Ocean in Südtirol (Norditalien). Die Fahrt – rund 2.500 km in einer Woche – verlief störungsfrei und es war ein Genuss, den Fisker durch die Berge zu fahren. Wir haben die Tour auch schon mit einem Tesla Model S 85D und mit einem Tesla Modle 3 Performance gemacht. Am einfachsten war sie tatsächlich mit dem Fisker. Hier war unser erster Ladestop an der Raststätte Fulda Nord nach 400 km normaler Autobahnfahrt (120-130 km/h) mit 4 Personen, viel Gepäck und eingeschalteter Klimaanlage.
Der Ocean wird immer etwas besonderes bleiben. Nur rund 11.000 mal gebaut, davon nur wenige Hundert Stück in Deutschland. Er wird nie ganz perfekt sein, die Software wird nicht fertig werden und der Service wird komplizierter sein, als wenn du deinen Golf um die Ecke beim freundlichen VW Händler zur Inspektion abgibst. Doch welches E-Auto hat zu dem Preis (siehe Wertentwicklung) schon so ein grandioses Schiebedach, einen 106 kWh Akku mit ordentlicher Ladeleistung, Sitzkomfort, Platz und fährt 210 km/h?
Gute voll funktionstüchtige Ocean mit SW 2.1 haben trotzdem Ihren Wert und es wird – wenn sich das alles etwas beruhigt hat – auch dafür einen Markt geben.
Für die Fisker Inc sehe ich kaum eine Zukunft. Immerhin soll Henrik zwei Übernahmeangebote (Nissan / Stellantis) ausgeschlagen haben. Wenn es überhaupt für die Fisker Inc. weitergehen soll, dann ganz gewiss nur mit einem anderen Management. Doch dafür ist es wahrscheinlich schon zu spät.