Mit dem Kia EV4 schließt Kia die Lücke zwischen EV3, EV6 und EV9 – also genau da, wo viele nach einem alltagstauglichen, nicht zu großen, aber modernen Elektro-SUV suchen. Ich durfte einen ganz frischen EV4 GT-Line mit großem Akku fahren – zugelassen am Vortag, kaum 20 Kilometer auf der Uhr. Zeit für einen ersten, aber ziemlich aussagekräftigen Eindruck.
Positionierung, Technik & Preise: Wo der Kia EV4 hingehört
Der Kia EV4 steht wie seine Elektro-Geschwister auf der bekannten EGMP-Plattform, die wir schon vom EV6, EV9, Hyundai Ioniq 5/6 und Genesis GV60 kennen. Nur: Der EV4 bildet die kompaktere, handlichere Variante – kürzer als ein EV6, aber mit erstaunlich viel Platz im Innenraum.
Es gibt:
- Zwei Batteriegrößen:
- 58 kWh
- 81 kWh (im Testwagen)
- Nur Frontantrieb, keinen Heckantrieb, keinen Allrad
- Drei Ausstattungslinien: Air, Earth, GT-Line
Die Preise (Stand Video):
- ab ca. 37.590 € (Air, kleiner Akku)
- bis ca. 49.440 € (GT-Line, großer Akku)
- mit allen Extras landet man bei Mitte 50.000 €
Die GT-Line kommt immer mit dem großen 81-kWh-Akku, viel Serienausstattung und sportlicher Optik. Eine Anhängerkupplung ist grundsätzlich verfügbar (1000 kg gebremst, 750 kg ungebremst), allerdings nicht für die GT-Line.
Design & Platzangebot: Kompakt von außen, groß von innen
Optisch wirkt der Kia EV4 wie eine geschrumpfte Mischung aus EV6 und EV9:
- vorn: flache, sportliche Front, große Öffnungen, markante LED-Lichtsignatur
- Seite: leicht coupéhafte Linie, aber mit relativ langer, gerader Dachpartie
- hinten: sehr kantig, fast wie mit dem Lineal gezogen, mit auffälligem Leuchtenband
Mit 4,43 Metern Länge (Fastback ca. 30 cm länger) gehört er zu den kompakten SUVs – und steht damit genau in dem Segment, in dem viele Familien heute suchen.
Das Platzangebot überrascht:
- hinten sehr gute Beinfreiheit
- ordentliche Kopffreiheit trotz leicht abfallender Linie
- bequem geschnittene Rückbank, nicht zu stark konturiert
- USB-Anschlüsse praktisch in den Rückenlehnen der Vordersitze versteckt
- Kofferraum: ca. 435 Liter, erweiterbar auf über 1.400 Liter, der Fastback bietet etwas mehr Volumen
Der EV4 wirkt innen deutlich größer, als es die Außenlänge vermuten lässt – ein echter Vorteil im Alltag.
Innenraum & Bedienung: Luftig, modern – mit kleinen Schwächen
Der Testwagen hatte ein zweifarbiges Interieur (helles Beige/Weiß mit Schwarz) – optisch sehr gelungen und wertig. Die Sitze sind bequem, nicht zu eng, gut einstellbar, das Lenkrad in Höhe und Tiefe verstellbar – die Sitzposition passt schnell.
Positiv:
- aufgeräumtes Cockpit mit zwei großen Displays
- viel Luft und kein „eingemauertes“ Gefühl durch eine zu hohe Mittelkonsole
- gute Materialien in den sicht- und griffrelevanten Bereichen
- optionale Features wie Sitzheizung, Sitzbelüftung, Glasdach (je nach Ausstattung)
Aber: Ganz perfekt ist es nicht.
Die Touch-Leiste unter dem Display (Home, Map, Media, Setup etc.) ist in der hellen GT-Line-Ausstattung schwer lesbar – vor allem bei Tageslicht. Dazu kommt: Die Tasten sind flach und ohne fühlbare Struktur, man muss also hinsehen statt „blind“ zu bedienen.
Fahren, Komfort & Verbrauch: sehr erwachsen, aber kein Lade-Weltmeister
Auf der Straße wirkt der Kia EV4 erstaunlich erwachsen:
- Federung: komfortabel, nichts poltert oder klappert
- Geräuschniveau: ruhig, auch mit Ganzjahresreifen
- Straßenlage: sicher, nicht schwammig, eher auf der komfortablen Seite
- Frontantrieb: unproblematisch, auch beim Beschleunigen kein nennenswertes Scharren
Über die Fahrmodi (Eco, Normal, Sport, Snow) lässt sich das Ansprechverhalten gut anpassen. Sport bringt spürbar mehr Spontanität, zaubert aber keinen Rennwagen aus dem EV4 – muss er auch nicht.
Beim Verbrauch lag der EV4 bei eher kühlen Temperaturen (einstelliger Bereich) im Mix:
- innerorts / Stadtrand: laut Anzeige zeitweise um die 13 kWh/100 km
- insgesamt im Test: eher um die 20 kWh/100 km
Damit sind 400 km Praxisreichweite mit großem Akku realistisch, je nach Fahrprofil.
Laden: Hier lässt Kia Potenzial liegen
Der größte Kritikpunkt am Kia EV4 ist klar das Thema Ladeleistung:
- 11 kW AC an der Wallbox – Standard, passt
- aber nur 400-Volt-System mit
- max. ca. 128 kW DC-Ladeleistung am Schnelllader
In einer Zeit, in der viele Konkurrenten (auch im eigenen Konzern) 150–180 kW und mehr bieten, wirkt das etwas aus der Zeit gefallen – zumal Hyundai/Kia mit 800-Volt-Technik ja eigentlich ganz vorne mitspielen können.
Heißt in der Praxis: Der EV4 lädt solide, aber nicht spektakulär. Wer viel Langstrecke fährt und auf kurze Standzeiten an der Säule aus ist, wird das merken.
Fazit: Für wen passt der Kia EV4?
Der Kia EV4 ist ein sehr stimmiges Gesamtpaket:
Stärken:
- kompakte Außenmaße, sehr gutes Platzangebot
- angenehm ruhiger, komfortabler Fahrkomfort
- wertiger Innenraum, luftiges Raumgefühl
- sinnvoller Akku, alltagstaugliche Reichweite
- erprobte Plattform und spürbare Elektro-Erfahrung im Hintergrund
Schwächen:
- nur Frontantrieb, keine Allrad-Option
- DC-Ladeleistung mit 128 kW eher unterdurchschnittlich
- schlecht ablesbare Touch-Leiste in der GT-Line-Hellvariante
Für alle, die einen praktischen, stilvollen und alltagstauglichen Elektro-SUV der Kompaktklasse suchen, ist der Kia EV4 definitiv einen Blick wert – besonders, wenn Ladeleistung für sie nicht das wichtigste Kriterium ist.