Nio hat mich eingeladen zur Premiere des NIO EL8 nach Berlin. Also los gehts für einen Abend zum legendären Ku-Damm ins NIO-House.
Hamburg – Berlin, das ist eigentlich ideal für eine Fahrt mit der Bahn. In rund 2 Stunden schaffst Du die Strecke mit dem Auto nicht. Ausserdem kannst Du in der Zeit etwas anderes machen. Eigentlich, denn nicht immer klappt das so – ich bin schon ein paar Mal mit der Nummer auf die Nase gefallen – zuletzt auf dem Rückweg von der Elli Veranstaltung. Also ein neuer Versuch – wieder in der ersten Klasse und dieses mal auch mit Sitzplatzreservierung.
NIO EL8 als Gamechanger für die Marke?
Auf der Fahrt mache ich mir Gedanken über die Marke NIO. Das ist ein chinesischer Autohersteller. Marktstart in Deutschland war im Oktober 2022 mit einer Auftaktveranstaltung im Berliner Tempodrom. Vielleicht könnt Ihr Euch noch an mein Video dazu erinnern.
Seit dem ist NIO mit 5 Modellen in Deutschland vertreten. Die Besonderheit der Autos ist die Möglichkeit, den Akku in ca. 5 Minuten einfach auszutauschen. Dazu werden diese Autos nicht nur verkauft, sondern auch im Abo vermietet. Man kann sich also ganz unkompliziert auch für nur einen Monat einfach mal einen NIO mieten.
Die Autos sind vom Design her super elegant und sportlich, die Software funktioniert und die technischen Daten lesen sich beeindruckend. Dazu hat NIO in A-Lagen verschiedener Grossstädte Deutschlands eigene Shops – NIO House – in dem man den NIO Lifestyle und die Autos erleben kann. So wie eben in Berlin am Kurfürstendamm 11.
Und trotzdem ist irgendwie der Wurm drin. Im letzten Jahr haben sich in Deutschland nur 1.263 Kunden für eines der 7 NIO Modelle entschieden. In den ersten 4 Monaten diesen Jahres wurden sogar nur 155 NIOs in Deutschland zugelassen.
Dazu kommt die Talfahrt an der Börse. Die Aktie stand mal bei 60 Dollar und ist runter auf ca. 4,40 Dollar. Was ist los bei NIO? Woran liegt das und ist diese geheimnisvolle Produktpremiere vielleicht der Schlüssel zum Turn-Around?
Imposante Erscheinung
Und dann stehe ich im NIO House vor dem neuen EL8. Der ist schon eine imposante Erscheinung – ist real aber kaum grösser als die Limousinen. 5 Meter lang, 2 Meter breit mit einem Radstand von 3 Metern. Für den ultimativen Fahrkomfort sorgen eine neuartige Doppelkammer-Luftfederung und jede Menge Sensorik und Elektronik. Dazu kommt ein Hauch von Luxus ab der zweiten Reihe. Es gibt hinten 4 Einzelsitze mit allem Komfort bis hin zu Liegeposition, Massage und Kühlschrank.
Die Preise beginnen ab 82.000 Euro – ohne Akku wohlgemerkt. Den der lässt sich auch beim EL8 ja in den NIO Swap-Stationen einfach austauschen. Statt lange zu laden kann man nach ca. 5 bis 10 Minuten einfach weiterfahren, mit einem “neuen” Akku und einem Ladestand von mindestens 92%.
In China zählt Komfort
Um solche Autos zu verstehen, muss man wissen, dass asiatische Länder ein völlig anderes Verständnis vom Auto haben – ganz besonders die Chinesen. Egal wo Du in einer chinesischen Grossstadt hin willst – Du bist pauschal immer eine Stunde unterwegs. Wenn du in China dein Kind zum Fussball bringst, dann wartest du vor der Tür. Die Fahrt nach Hause und zurück lohnt sich nicht.
In den Metropolen von Indien zum Beispiel sind die Menschen zum Teil 2 Stunden unterwegs, wenn sie mit dem Auto ins Büro fahren wollen – pro Richtung wohlgemerkt. Das macht am Tag dann 4 Stunden Lebenszeit, die im Auto verbracht werden anstatt zuhause. Um keine Zeit zu verlieren wird dann im Auto auch alles gemacht, was man sonst nach Feierabend so zuhause machen würde: Essen, Arbeiten, Spielen und Entspannen.
Und das erklärt auch die Sichtweise der Asiaten auf das Auto. Wieviel Platz bietet es? Mit welchen Funktionen kann ich mir darin die Zeit vertreiben? Wie gut bin ich connected? Sportfahrwerk, Strassenlage und der Sieg bei den 24h von LeMans sind im Endlos-Stau einer MegaCity völlig bedeutungslos.
Wir haben das zuletzt bei der Fahrveranstaltung von Audi zum neuen Q6 e-tron in Bilbao bemerkt. Die Kollegen von TopGear China haben das OnBoard Entertainment des Q6 regelrecht auseinander genommen während wir den Q6 mit einem breiten Grinsen im Gesicht durch die Serpentinen von SanSebastian gejagt haben, um das neue Fahrwerk auszuprobieren (siehe auch Bericht zum Q6 hier im Blog und auf YouTube ab dem 2.7.24).
Für die Chinesen ist es anders herum genau so schwer. Europäer sind an dem ganzen Spielkram im Auto nicht wirklich interessiert und ein verlängerter Radstand wird im 60iger Jahre Parkhaus eher zum Problem. Mit klassischen Tugenden wie Brembo Bremse und gut abgestimmter Luftfederung kann NIO hier aber punkten. Trotzdem ist ein NIO auf Deutschlands Strassen immer noch so exotisch wie ein Rolls Royce.
Eine neue Marke braucht Zeit
NIO macht irgendwie alles richtig. Sie haben in allen wesentlichen Segmenten ein Modell, haben die neueste Technik an Board und verpacken das gekonnt in einem attraktiven Design. Dazu bauen Sie das Netz der Swap Stationen flächendeckend aus, pflegen eine Community, deren Ideen im Rekordtempo in die Software der Autos implementiert wird.
Die Zulassungszahlen mögen noch niedrig sein. Aber es dauert eben, bis sich eine neue Marke ganz besonders im Premium Segment etabliert hat. In China ist NIO schon dort angekommen – in Deutschland fangen sie gerade erst an. Ob der EL8 der richtige Schritt ist, um im Wettbewerb mit EQS-SUV & -Co. um die spärlich gesäte Kundschaft zu kämpfen, die sich sowieso alles leisten kann?
Da bin ich skeptisch. Was meint Ihr? Kommentiert doch einfach unter unserem YouTube Video Eure Meinung zu NIO.